Montag, 20. Oktober 2008

El Superclasico

Kurz zum WE: Freitag war wieder BA-Tag, d.h. erst wurde bei Astrid auf der Dachteresse gemütlich Wein getrunken und das Lichterspiel der Hochhäuser ringstum beobachtet, bevor wir uns mit Meno (dem Holländer aus unserem Sprachkurs) und seinen Kumpels im Asia getroffen haben, einem recht teuren Club in Puerto Madeira, der Hafenmeile von BA, die als Promenadenersatz herhalten muss, da BA, obwohl es ja eigentlich am Meer liegt keinen Strand und auch keine Promenade hat. (Geographiestudenten mögen mich jetzt vielleicht korrigieren wollen mit dem Hinweis, dass BA geographisch gesehen nicht am Meer, sondern nur im größten Delta der Welt, nämlich des Rio de la Plata, liegt, aber für mich ist so viel Wasser am Rand, dass man nicht mehr sehen kann wo es aufhört und keine Grenze zum echten Meer hat, problemlos auch als "Meer" zu bezeichnen, ätsch.). Ich muss ehrlich bekennen, dass ich, als ich hier angekommen bin, das gar nicht gewusst, sondern ganz ratlos auf dem Stadtplan den Strand gesucht habe. So kann man sich irren.
Dass sich die Kassierer im Asia geirrt hätten, als sie 50 Peso Eintritt von uns haben wollten, dachte ich auch, dem war aber leider nicht so. 50 Peso nur für den Eintritt und ein Freigetränk sind in BA echt viel, und in den Barrios könnte man davon wahrscheinlich ne halbe Nacht feiern. Aber gut, wenigstens war die Musik gut, wenn auch natürlich für meine Geschmack wieder viel zu laut. Gut, dass es eine Terasse mit Blick auf den Hafen und die bekannte Hafenbrücke gab (leider keine Kamera dabeigehabt), auf der ich mich mit einem Bekannten von Meno aus den USA über Politik unterhalten konnte.. so bin ich halt :rolleyes: Am Samstag war dann ein diözesanes Treffen der Missionare von Merlo-Moreno, das von den Servidores gestaltet wurde. Das Treffen war in Moreno, in einer Schule neben der Kathedrale des Bistums, die allerdings kleiner ist als die Pfarrkirche von Rade - das war auch eine kleine Überraschung. In allen Bistümern Südamerikas läuft zur Zeit eine Kampagne zur Intensivierung der Mission, deshalb waren alle Workshops zu verschiedenen Ländern Südamerikas, ihrer Geschichte, ihrer Kultur, ihrer Spiritualität, ihrer Gegenwart. Gerade die Missionsgeschichte Lateinamerikas ist ja nicht nur eine besonders erbauliche Geschichte, und in den Schulen und in der ganzen Gesellschaft überhaupt gibt es ein sehr negatives Bild von der Conquista, die mit der Missionsgeschichte weitgehend gleichgesetzt wird. Dagegen wurden in den Workshops viele Heilige und Selige vorgestellt, die sich intensiv für die Rechte und Nöte der Ureinwohner eingesetzt haben, von Bartholomeo de las Casas und den Jesuitenmissionen in Paraguay bis in die Gegenwart.
Beides war sehr interessant, besonders über Mexiko muss ich glaube ich noch mal etwas mehr lesen, dort scheint es im letzten Jahrzehnt eine richtige Christenverfolgung gegeben zu haben. Und mir ist nochmal krass aufgefallen, dass Argentinien eigentlich gar keine eigene kulturelle Tradition besitzt, anders als z.B. Bolivien, wo im Workshop traditionelles Gebäck und Getränke gereicht wurden, man Koka kauen und Indio-Mode bewundern konnte. Als Abschluss war dann nochmal ein junger Franziskanerpater da, der vom Kongress aller südamerikanischen Missionare in Santa Fe erzählt, eine fantastische Katechese über das Wesen und den Sinn der christlichen Mission in der Gesellschaft gehalten hat. Wirklich, absolut erstklassig. Die Franziskaner haben hier wirklich super Personal. Fazit: Viel Musik, viel Spaß, viele Infos die ich erst nochmal in Deutsch lesen muss. Wie schön wäre es, Internet zu Hause zu haben *träum*
Noaja. Gibts aber nicht, und ich muss weiterhin mit meiner SD-Karte zu Daniel pilgern um euch zu schreiben. Heute ist hier Muttertag, deswegen haben wir uns zum festlichen Asado (Grill-essen) bei Daniel versammelt, der allerdings kurz davor ist, uns alle rauszuschmeißen weil heute nämlich auch Boca (Casa de Silvia) gegen River (Casa de Daniel) gewonnen hat *fg* Mir wurde erklärt, "EL SUPERCLASICO" sei fast wichtiger als die Meisterschaft, und so führen sich hier auch alle auf. Das ist übrigens SO wichtig, dass Franco und Marta einen Großteil des Spiels vor dem Fernseher verbracht haben, obwohl im Kabelfernsehen nichts weiter zu sehen ist als die Fans, das Stadion und wieder die Fans, da genau wie bei uns Live-Fussball nur im PayTV zu haben ist. Also sowas wie eine stimmungsvoll bebilderte Radiosendung. Das ist Leidenschaft. Und auch wenn hier wirklich viel schief läuft, davon haben die Argentinier wirklich genug.
Und ihr Land bekommt auch einiges davon ab, denn sie lieben es. Zum Beispiel haben wir heute kurz ueber die Probleme von Argentinien gesprochen, und es war interessant zu hoeren wie Daniel und Marta sich darueber einig waren dass die meisten Probleme wie die Unsicherheit durch Kriminalitaet zu 99,9 Prozent von den Einwanderern verursacht seien, wie den Schwarzen, den Bolivianern, den Chilenen, den Peruanern, die 90% aller Markenpiraten stellen wuerden. Marta wandte zwar ein, dass zwar auch immer EIN ARGENTINIER dabei sei, aber eben nur einer, und sonst haette er Recht. Hoert sich das rassistisch an? Andererseits war Daniel voll Bewunderung fuer die schwarze Rasse, die ja so gross, stark und widerstandsfaehig ist. Naja.
An vielen deutschen Tischen wird wahrscheinlich aaehnlich geredet, wie ueberhaupt an vielen Tischen dieser Welt. Es ist ja auch viel einfacher zu sagen, dass der Argentinier an und fuer sich ein arbeitsamer und ehrlicher Mensch sei...... dass es "den Argentinier" ja eigentlich gar nicht gibt, sondern fast ALLE "Argentinier" Einwanderer sind, von denen sehr viele erst 1-2 Generationen hier leben, macht solche Aussagen allerdings schon ein bisschen grotesk.
Also das Fazit: Es sind die wenigen schwarzen Schafe in der Herde, die alle grau aussehen lassen. Sich von diesem Erklaerungsmuster zu verabschieden, scheint Daniel und Marta zumindest sehr schwer zu fallen. Silvia und ich bin mir sicher auch Franko sind da differenzierter, und ich glaube nur sie haben meine Nachfrage nach der Korruption in den Behoerden wirklich verstanden. Anlass war eine Doku, in der die Reporter in einer halben Stunde und mit 2000 Peso (500€) einen ECHTEN Fuehrerschein bekommen konnten, ohne je eine Pruefung oder eine medizinische Untersuchung (Drogenkonsum) gemacht haben zu muessen. Dass Argentinien in Sachen Weltspitze ist, (pro Pkw mehr als 6 mal so viele Unfaelle wie in Deutschland) wundert da auch nicht mehr. Darauf stolz zu sein, faellt allerings selbst Argentiniern schwer.

1 Kommentar:

vokipsi hat gesagt…

Lieber Onkel Bennjamin,

ich habe die Geburtstagswünsche erst jetzt gelesen und freue mich darüber sehr.
Ich denke oft an Dich und kann allen auf der Landkarte zeigen wo du jetzt bist.

Sophia