Mittwoch, 29. Oktober 2008

Taizè auf Argentinisch

Gestern habe ich mit Franko Thomas in der Gemeinde besucht, in der er für zwei Wochen leben wird. Sie liegt in Süd-Moreno in einer durchschnittlichen bis armen Gegend. Er hat dort eine andere Deutsche kennengelernt, Franziska aus der Diozöse Rottenburg-Stuttgart glaube ich. Franzi hat 2005 schonmal ein Jahr in Argentinien in dieser Gemeinde gearbeitet und ist jetzt nochmal für drei Monate auf Besuch, und lebt bei Christina, die hauptamtlich für das Bistum Rottenburg-Stuttgart arbeitet, deshalb deutsches Gehalt in Peso kassiert und deshalb materiell natürlich recht gut gestellt ist. Naja. Wie wir deutschen so sind, finden wir Taizé ja ganz toll, und wenn die ungebildeten Wilden das hier nicht kennen - nun, dann wirds ihnen eben beigebracht, wie man richtig "teseht". Wahrscheinlich war die Idee, das 10-jährige Bestehen der Gemeinde in einem Zelt statt in der Gemeindekirche zu feiern, auch eine Deutsche. Dass direkt in der ersten Nacht alles elektronische Equipment aus dem Zelt geraubt wurde, ist allerdings ein hoher Preis für den durchaus anerkennenswerten Symbolgehalt.
Gut, nun kommt es beim deutsch-argentinischen Kulturtransfer jedoch zu.. Miss-Verständnissen, die dann ungefähr so aussehen: Während die deutsche Idee von einer pilgernden Zeltkirche sicherlich in der Idee von Einfachheit, Armut und der Konzentration auf das wesentliche gründet, ist die argentinische Interpretation bunt bis grell und trägt eine goldene Krone: Maria (diesmal von Itati), die natürlich wieder mit einer lebensgroßen Statue vertreten war. Neben der Statue des Pfarrheiligen St. Martin de Porres (St. Martin für Arme *fg*) und einer anderen Heiligenstatue (der hl. Langobardus..?), eine goldene Marienikone und einem riesigen Plakat des ersteren Heiligen suchte man ein Kreuz oder Christusbild dann aber auch vergebens, und auch die orangen Taizé-Tücher konnten diese Schieflage nicht mehr ausgleichen. Franzi sagte mir später, das Taizékreuz und die Christusikone seien von den Leute, die das Equipment für das Gebet geholt haben, einfach vergessen worden. Naja, shit happens. Für diesen Ausdruck muss ich mit Franko übrigens mal dringend ne Übersetzung suchen.. solche Transfers von "feststehenden Ausdrücken" sind sehr unterhaltsam, so sagen zum Beispiel die Argentinier wenn sie Hunger haben "mi pica el bagre", was mehr oder weniger "Mich beißt der Barsch" bedeutet. Merkt euch das, sowas geht 1:1 in meinen deutschen Wortschatz über ;)
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Das eigentliche Taizégebet war dann aber eigentlich ganz schön. Es waren ca. 50 Leute da, womit das Zelt recht gut gefüllt, und wohl deshalb für die extra gekauften Taizé-Teppiche kein Platz mehr war. Allerdings ist Taizé hier nicht für Jugendliche, sondern für alle - weshalb dann auch recht wenige Jugendliche da waren. Alle andern haben allerdings nach einer kurzen Einführung alle Lieber, die übrigens sämtlich auf spanisch umgedichtet waren, engagiert mitgesungen, d.h. gegröhlt, was natürlich nicht ganz der Kern der Spiritualität von Taizé ist. Das andere Kennzeichen, die Stille, ist für Argentinier vielleicht noch schwieriger zu verstehen. Ich glaube, Argentinier haben ein bisschen Angst vor der Stille. Und was macht man, wenn man sein Unbehagen über die plötzliche Abwesenheit von Schallwellen aus Richtung des Altars vertreiben will..? Richtig, man erzeugt selber welche, d.h. man unterhält sich z.B.. Nach einiger Zeit hat es aber recht gut funktioniert, und nur noch die spielenden Kinder und die nahe Straße konnten die tiefe Innerlichkeit beeinträchtigen, die sich im Zelt ausbreitete.

Trotzdem war es sehr schön, und wir fünf (Franko, Ich, Thomas, Franzi und Melissa, eine Freundin von Franzi noch aus der Zeit ihres ersten Aufenthalts) hatten viel Spaß.

Montag, 27. Oktober 2008

Neue Freunde, neue Termine, neue Probleme - Retido im Paradies und Diözesanwallfahrt nach Lujan

Wo fang ich an?
Vielleicht vorne. Das wäre der Donnerstag, wo eigentlich Gustavo zum Spanisch-Deutschen Sprachaustausch gekommen wäre, wenn ihm nicht was dazwischengekommen wäre, und dafür Thomas vorbeigeschaut und spontan die Nacht geblieben ist (da sein Barrio bei Nacht doch ein bisschen ungemütlicher ist als meins). War wirklich sehr lustig und ich bin echt froh dass er auch hier ist. Leider hat seine Freundin, die z. Zt. in Amerika au-pair macht, ein paar Tage vor seinem Geburtstag, der letzte Woche war, mit ihm Schluss gemacht, die übrigens eine Nichte des Bichofs von Limburg, Tebertz-van-Elst, ist. Wie alle Beziehungskisten ist auch diese nicht ganz einfach gezimmert, er glaubt oder fühlt auf jeden Fall, dass sie noch eine Zukunft haben, was sich zeigen wird wenn sie sich in Deutschland wiedersehen. Nunja, ich bewundere seine Glaubenskraft, aber ich würde so nicht denken wollen. Das kann ja eigentlich nur schief gehen :/ Ich vertraue lieber darauf, dass alles, was mir passiert, einen Sinn für mein Leben hat, den ich entdecken kann, und so auch krumme Lebenswege im Rückblick als die Richtigen erscheinen. In den Freitag bin ich dann also mit einem gehörigen Schlafdefizit gestartet, und habe erstmal als erste Amtshandlung mich gegen eine Fahrt in die Casita entschieden. Ich musste nämlich auch noch die Firmgruppenstunde für Abends vorbereiten, die Marcello mir grinsend aufs Auge gedrückt hat - über den Priester. Ich denke diese Stunde ist mir besser gelungen als die letzte, wo ich mich nach 5 Minuten aussichtslos mit meinen eigenen Fäden stranguliert hatte. Diesmal ist mir ein schöner Bogen von der Hierarchie der Kirche, über die Eigenarten der einzelnen Weiheämter bis zur entscheidenden Frage gelungen: "Porque - o porque no?" Die Diskussion war unterhaltsam *g*

Freitag habe ich dann nichts mehr gemacht, da ich Samstags sehr früh aufstehen musste, um nach Moreno zu fahren, wo die Servidores irgendwie ein Retido, also sone Art Exerzitien, veranstalten würden, zu dem Thomas mich überredet hatte. Ich bin aber sehr froh, dass ich mich habe bequatschen lassen. Denn nicht nur ist die "casa de retido" der Diözese, ein ehemaliger Landsitz, der dem Bistum von einem alten Ehepaar mangels Nachfolger vermacht wurde, ein wirklich zauberhaftes Fleckchen Erde, sondern auch für die neuen Bekanntschaften bin ich sehr dankbar. Da wäre zum Beispiel Carla (2.v.l): 22, Dreadlocks, Astrologiestudentin, Katholisch. Oder Paula (l): 24, Psychologiestudentin, will aber bei den Servidores Schwester werden. Solche seltsamen Mischungen traf man dort tatsächlich öfter. Da viele davon in Quilmes wohnen (genau, das Viertel, in dem ich schon mal war, und nach dem das Bier benannt ist), werde ich wohl in Zukunft öfter dort vorbeischauen, denn wir hatten wirklich viel Spaß und so langsam komme ich auch mit wenn jemand einen Witz macht... oft genug allerdings auch nicht. Ich lache dann aber trotzdem, ist das verwerflich? Solange keine Nachfragen kommen, fällts auch normalerweise keinem auf ^^ Inhaltlich muss ich sagen habe ich aus den langen Katechesen und den Austauschrunden danach eher weniger Gewinn gezogen, was aber nicht schlimm war, denn es gab durchaus Augenblicke in denen ich auch entspannen und meine Gedanken schweifen lassen konnte. Wirklich ein gelungener und erlebnisreicher Tag, nur die Nacht war ein bisschen unruhig, da im Gemeinschaftsquartier einige Schnarcher lagen, die wirklich UNglaublich laut gerazzt haben, so dass nichtmal meine Kopfhörer mit System of a Down auf Maximum das völlig übertönen konnten o_0

Gut, wieder mit wenig Schlaf haben ich und Thomas uns dann am Sonntagmorgen auf den Weg nach Lujan gemacht. Ja genau, wieder mal der Lieblings-Marienwallfahrtsort der Argentinier vor den Toren von BA. Die Diözese Merlo-Moreno macht nämlich eine jährliche Wallfahrt dorthin, und das sollten wir uns auch unbedingt ansehen. Ich glaube, es waren so 3000 Leute da, was für eine Diözese mit .... Gläubigen jetzt auch wiederum nicht die Welt ist, aber doch eine ganz ordentliche Gruppe abgibt. Unsere Capilla war mit einem "Mikro", so heißen aus einem mir unerfindlichen Grund die 50er-Reisebusse, angereist - andere allerdings mit 5. Zum Beispiel Sergio, der Priester den wir letzten Montag besucht hatten. Ich habe auch einige Zeit bei Sergio und seiner Gemeinde gesessen und freue mich jetzt schon auf die Woche, die ich dort leben kann. Nach der Messe gab es nämlich ein großes Freiluft-picknick in einem nahen Maristen-Konvent (ist aber heute glaube ich hauptsächlich ne Schule) mit einem unglaublich großen Park-gelände mit vielen schattenspendenden Bäumen, Fußball-, Basket-, Volleyball- und Grillplätzen.
Auf einer Bühne gab es alle möglichen Musikbeiträge, von gut gemeint bis hochklassig, die Diözese kam ihrem Auftrag zur Kulturbildung mit Aufführungen von Gaucho-tänzen nach, und danach wurde sehr lange von sehr vielen Leuten dieser argentinische Standard-Folkloretanz getanzt. Ich habe mal zwei Videos gemacht, von der das eine zeigt wie es richtig geht, und was die Argentinier meistens draus machen :roll:


Was mir sehr gut gefallen hat, war das entspannte Verhältnis zwischen Bischof und Gläubigen, oder Hirten und Schafen, wie man möchte. Ich glaube der Bischof war wirklich an JEDEM Tisch um Hallo zu sagen, ab und zu einen Mate zu schlürfen und sonst höflich aber bestimmt alle Essensangebote abzulehnen :roll: Er war dabei auch nur durch ein etwas größeres Kreuz auf der Brust (die große Sonnenbrille und den kleinen Bauch haben hier fast alle Priester..) als Bischof zu erkennen, was mich darüber nachdenken ließ, wie Deutsche das wohl emfpinden würden, wenn ihr Bischof versuchen würde, so zu sein wie sie - oder es tatsächlich wäre. Ich muss zu meiner Schande bekennen, dass ich mir grundsätzlich einen Bischof auch tatsächlich als Bischof erkennbar wünschen würde, und die übliche Bischofskluft (Soutane und Käppi) auch keineswegs als abgehoben empfinde. Aber es gibt zweifelsohne wichtigeres, z.B. ist Bischof ..., Salesianer und Caritas-präsident von Südamerika, dafür bekannt, vor allem arme Gemeinde oft zu besuchen, Messen und Kommunion zu feiern und sich auch schonmal mit dem Gobierno anzulegen. Dafür wird von dessen Seite schonmal öfter mit grobem Schmutz geworfen, was mich spontan den Bischof um ein Interview zum Verhältnis von Kirche und Staat/Regierung/Verwaltung bitten ließ. Er hat mir das auch zugesagt, wenn auch für Dezember, was mir aber auch ganz recht ist.
DENN.. wer die letzten Einträge verfolgt hat, wird gemerkt haben, wie immer wieder neue Möglichkeiten und Pläne aufgetaucht sind, ohne dass ich bisher viel davon umgesetzt hätte. Tja, das ist richtig. Hier ein kurze Überblick: In nächster Zeit will ich Sergios Jugendgruppe besuchen, und/oder eine Woche dort in der Gemeinde leben, ein Wochenende in der Casita wohnen, mit einem Operador von dort Murga tanzen gehen, eine andere deutsche Freiwillige, die ich heute kennengelernt habe, in ihrer Gemeinde besuchen weil sie 10-jähriges Bestehen feiern und eine Zeltmission machen, die Firmvorbereitung beenden, mir eine andere Einrichtung für Jugendliche anschauen, wo eine Frau arbeitet die ich auch heute kennengelernt habe. Was meine Reisen im Januar-Februar angeht, habe ich folgende Puzzleteile: Salta (Norden) besuchen, während eine Bekannte dort ist und mir alles zeigen könnte; Straßenmission der Franziskaner; Campen mit Carla und den anderen in Miramar (bissle die Küste runter von BA aus), Ferien mit der Casita in Cordoba, Mission mit den Servidores in Santa Fe, und dazwischen oder davor oder danach Von BA nach Iguazu, durch Paraguay nach Salta, nach Cordoba, nach Mendoza (dort leben Verwandte von Silvia), Santiago de Chile, El Calafate, Rio Grande (dort lebt der andere Sohn von Marta), Usuhaya und zurück nach BA. Wie schon gesagt, sind das alles quasi Puzzleteile, die ich nun möglichst geschickt zusammensetzen muss - und mir dafür erstmal überall die genauen Daten besorgen muss, die - das wette ich - größtenteils aber noch nicht feststellen, weil Argentinier sowas irgendwie nicht brauchen. Narf. So das reicht jetzt wirklich und mir reichts auch *fg*

Mittwoch, 22. Oktober 2008

Ferien im Slum, Strassenschlaeger-Karriere - Neue Perspektiven

Ich habe mir grade mal den Luxus gegoennt, im Inetcafe nach Informationen ueber die Apokalypse des Johannes und die Vier Apokalyptischen Reiter zu suchen, und nebenbei kann ich kurz von gestern abend berichten. Ein recht Priester, der ein sehr enger Freund meiner Gastfamilie ist, hatte Geburtstag - ein paar Tage nachdem seine Mutter an Krebs gestorben ist. Also haben wir uns auf den Weg gemacht, ihn zu besuchen, in seiner Gemeinde recht weit draussen im Campo, wo die Leute in aermlichen, garagenaehnlichen Haeusern leben und geteerte Strassen selten sind. Die Gemeinde ist allerdings super lebendig, und hat eine eigene Schule fuer Behinderte Kinder. Die Kirche ist auch wirklich huebsch, in einem Stil, den ich als "argentinische Gotik" bezeichne, naehmlich nur Stein (gut, Beton, kommt aber aufs selbe raus) und Licht. Es gibt eine lustige Jugendgruppe, die ihren Pfarrer auf Haenden traegt, und ich denke ich werde bald mal eine Woche dort bei ihm leben, um auch mal die Haeuser der wirklich armen Leute besuchen zu koennen und mit ihnen zu sprechen. Naechste Woche kommt er zu uns zum essen, dann gibts mehr Details.

Ausserdem, aber weniger erfreulich, durfte ich in der Casita ne echte Schlaegerei auf offener Strasse miterleben, zwei Jungs der Casita hatten was zu klaeren. Das ganze war direkt vor einer Grundschule (und praktischerweise auch neben dem "Hospital"), und es war schon irgendwie komisch, in der Gruppe der anderen Casita-Jungs zu stehen, die die kleinen Kinder verscheuchten und aufgebrachten Muetter, die intervenieren wollten erklaerten, dass sie das nicht verstehen wuerden weil das eine Sache von ihnen sei, den Jungs von der Strasse, die sie immernoch sind auch wenn sie in der Casita leben. Komisch, da irgendwie auch zuzugehoeren. Aber nicht schlecht 8)

Sie wollen mir jetzt auch beibringen, wie man sich richtig schlaegt. Aber auf den Schlagring verzichte ich glaube ich....

Montag, 20. Oktober 2008

El Superclasico

Kurz zum WE: Freitag war wieder BA-Tag, d.h. erst wurde bei Astrid auf der Dachteresse gemütlich Wein getrunken und das Lichterspiel der Hochhäuser ringstum beobachtet, bevor wir uns mit Meno (dem Holländer aus unserem Sprachkurs) und seinen Kumpels im Asia getroffen haben, einem recht teuren Club in Puerto Madeira, der Hafenmeile von BA, die als Promenadenersatz herhalten muss, da BA, obwohl es ja eigentlich am Meer liegt keinen Strand und auch keine Promenade hat. (Geographiestudenten mögen mich jetzt vielleicht korrigieren wollen mit dem Hinweis, dass BA geographisch gesehen nicht am Meer, sondern nur im größten Delta der Welt, nämlich des Rio de la Plata, liegt, aber für mich ist so viel Wasser am Rand, dass man nicht mehr sehen kann wo es aufhört und keine Grenze zum echten Meer hat, problemlos auch als "Meer" zu bezeichnen, ätsch.). Ich muss ehrlich bekennen, dass ich, als ich hier angekommen bin, das gar nicht gewusst, sondern ganz ratlos auf dem Stadtplan den Strand gesucht habe. So kann man sich irren.
Dass sich die Kassierer im Asia geirrt hätten, als sie 50 Peso Eintritt von uns haben wollten, dachte ich auch, dem war aber leider nicht so. 50 Peso nur für den Eintritt und ein Freigetränk sind in BA echt viel, und in den Barrios könnte man davon wahrscheinlich ne halbe Nacht feiern. Aber gut, wenigstens war die Musik gut, wenn auch natürlich für meine Geschmack wieder viel zu laut. Gut, dass es eine Terasse mit Blick auf den Hafen und die bekannte Hafenbrücke gab (leider keine Kamera dabeigehabt), auf der ich mich mit einem Bekannten von Meno aus den USA über Politik unterhalten konnte.. so bin ich halt :rolleyes: Am Samstag war dann ein diözesanes Treffen der Missionare von Merlo-Moreno, das von den Servidores gestaltet wurde. Das Treffen war in Moreno, in einer Schule neben der Kathedrale des Bistums, die allerdings kleiner ist als die Pfarrkirche von Rade - das war auch eine kleine Überraschung. In allen Bistümern Südamerikas läuft zur Zeit eine Kampagne zur Intensivierung der Mission, deshalb waren alle Workshops zu verschiedenen Ländern Südamerikas, ihrer Geschichte, ihrer Kultur, ihrer Spiritualität, ihrer Gegenwart. Gerade die Missionsgeschichte Lateinamerikas ist ja nicht nur eine besonders erbauliche Geschichte, und in den Schulen und in der ganzen Gesellschaft überhaupt gibt es ein sehr negatives Bild von der Conquista, die mit der Missionsgeschichte weitgehend gleichgesetzt wird. Dagegen wurden in den Workshops viele Heilige und Selige vorgestellt, die sich intensiv für die Rechte und Nöte der Ureinwohner eingesetzt haben, von Bartholomeo de las Casas und den Jesuitenmissionen in Paraguay bis in die Gegenwart.
Beides war sehr interessant, besonders über Mexiko muss ich glaube ich noch mal etwas mehr lesen, dort scheint es im letzten Jahrzehnt eine richtige Christenverfolgung gegeben zu haben. Und mir ist nochmal krass aufgefallen, dass Argentinien eigentlich gar keine eigene kulturelle Tradition besitzt, anders als z.B. Bolivien, wo im Workshop traditionelles Gebäck und Getränke gereicht wurden, man Koka kauen und Indio-Mode bewundern konnte. Als Abschluss war dann nochmal ein junger Franziskanerpater da, der vom Kongress aller südamerikanischen Missionare in Santa Fe erzählt, eine fantastische Katechese über das Wesen und den Sinn der christlichen Mission in der Gesellschaft gehalten hat. Wirklich, absolut erstklassig. Die Franziskaner haben hier wirklich super Personal. Fazit: Viel Musik, viel Spaß, viele Infos die ich erst nochmal in Deutsch lesen muss. Wie schön wäre es, Internet zu Hause zu haben *träum*
Noaja. Gibts aber nicht, und ich muss weiterhin mit meiner SD-Karte zu Daniel pilgern um euch zu schreiben. Heute ist hier Muttertag, deswegen haben wir uns zum festlichen Asado (Grill-essen) bei Daniel versammelt, der allerdings kurz davor ist, uns alle rauszuschmeißen weil heute nämlich auch Boca (Casa de Silvia) gegen River (Casa de Daniel) gewonnen hat *fg* Mir wurde erklärt, "EL SUPERCLASICO" sei fast wichtiger als die Meisterschaft, und so führen sich hier auch alle auf. Das ist übrigens SO wichtig, dass Franco und Marta einen Großteil des Spiels vor dem Fernseher verbracht haben, obwohl im Kabelfernsehen nichts weiter zu sehen ist als die Fans, das Stadion und wieder die Fans, da genau wie bei uns Live-Fussball nur im PayTV zu haben ist. Also sowas wie eine stimmungsvoll bebilderte Radiosendung. Das ist Leidenschaft. Und auch wenn hier wirklich viel schief läuft, davon haben die Argentinier wirklich genug.
Und ihr Land bekommt auch einiges davon ab, denn sie lieben es. Zum Beispiel haben wir heute kurz ueber die Probleme von Argentinien gesprochen, und es war interessant zu hoeren wie Daniel und Marta sich darueber einig waren dass die meisten Probleme wie die Unsicherheit durch Kriminalitaet zu 99,9 Prozent von den Einwanderern verursacht seien, wie den Schwarzen, den Bolivianern, den Chilenen, den Peruanern, die 90% aller Markenpiraten stellen wuerden. Marta wandte zwar ein, dass zwar auch immer EIN ARGENTINIER dabei sei, aber eben nur einer, und sonst haette er Recht. Hoert sich das rassistisch an? Andererseits war Daniel voll Bewunderung fuer die schwarze Rasse, die ja so gross, stark und widerstandsfaehig ist. Naja.
An vielen deutschen Tischen wird wahrscheinlich aaehnlich geredet, wie ueberhaupt an vielen Tischen dieser Welt. Es ist ja auch viel einfacher zu sagen, dass der Argentinier an und fuer sich ein arbeitsamer und ehrlicher Mensch sei...... dass es "den Argentinier" ja eigentlich gar nicht gibt, sondern fast ALLE "Argentinier" Einwanderer sind, von denen sehr viele erst 1-2 Generationen hier leben, macht solche Aussagen allerdings schon ein bisschen grotesk.
Also das Fazit: Es sind die wenigen schwarzen Schafe in der Herde, die alle grau aussehen lassen. Sich von diesem Erklaerungsmuster zu verabschieden, scheint Daniel und Marta zumindest sehr schwer zu fallen. Silvia und ich bin mir sicher auch Franko sind da differenzierter, und ich glaube nur sie haben meine Nachfrage nach der Korruption in den Behoerden wirklich verstanden. Anlass war eine Doku, in der die Reporter in einer halben Stunde und mit 2000 Peso (500€) einen ECHTEN Fuehrerschein bekommen konnten, ohne je eine Pruefung oder eine medizinische Untersuchung (Drogenkonsum) gemacht haben zu muessen. Dass Argentinien in Sachen Weltspitze ist, (pro Pkw mehr als 6 mal so viele Unfaelle wie in Deutschland) wundert da auch nicht mehr. Darauf stolz zu sein, faellt allerings selbst Argentiniern schwer.

Mittwoch, 15. Oktober 2008

Und uebrigens:

Ich hatte es geahnt, konnte es dann aber leider nicht mehr aendern: Ich hatte mir extra eine internationale Telefonkarte gekauft, um meiner gar-nicht-mehr-so-kleinen Cousine zum Geburtstag gratulieren zu koennen.... Was dann natuerlich nicht funktioniert hat -_-

Es gibt hier wohl sowas wie Sperren fuer internationale Gespraeche in vielen Leitungn.. was wohl auch einfach sinnvoll ist, weil hier alle Leitungen von jedem angezapft werden.

Also auf diesem Weg, nur fuer dich Sophia:

alles Alles ALLES LIEBE und HERZLICHEN GLUECKWUNSCH - oder FELIZ CUMPLEAÑO, wie man hier sagt - zu deinem Geburtstag, und ganz viele dicke liebe Gruesse aus Argentinien NUR FUER DICH! :)
Fuehl dich ganz fest gedrueckt, ich versuche das mit dem Anrufen mal weiter :-*

Das Wochenende: Fiesta, Fiesta, Fiesta...

..allerdings in den Parroquias hier. Nachdem ich Freitagabend mal nichts gemacht hatte, und Samstag noch kurz in der casita war um einem der Jungs zum Geburtstag zu gratulieren (er meinte, anstatt ihm am Montag was zu schenken, sollte ich lieber am Samstag vorbeikommen um ihm zu gratulieren - fand ich cool, hab ich dann auch gemacht), war in der Gemeinde hier um die Ecke ein Fest der Missioneros, d.h. der Gruppe Jugendlicher, die im Sommer auf die Mission fahren, und auch hier einmal im Monat glaube ich die Häuser im Barrio besuchen. Was die da genau machen.. keine Ahnung. Missionieren halt. Muss ich auf jeden Fall mal angucken. Naja. Die haben auf jeden Fall dieses Fest veranstaltet um Geld für ihre Missionsfahrt zu sammeln, und dafür Empanadas (argentinisches Standard-Fingerfood: sone Art Teigmaultaschen, gefüllt meistens mit Fleisch, was sonst), Choripans (Chorizo (DIE argentinische Wurst) im Brötchen), Pan dulce (Kuchen) und Getränke verkauft, eine Tombola gemacht und die ganze Zeit Musik gespielt, viel auch live. War wirklich nett, aber da draußen ein echter Sturm tobte, waren schon zur Messe nicht besonders viele Leute gekommen, und wie man Werbung macht muss man den Jungs hier glaube ich auch noch erklären. Trotzdem wurde getanzt, auch wieder diese Standard-Volkstänze, aber auch Samba u.Ä., und wer das noch nicht so gut konnte - so wie ich - für den gab es auch Unterricht in der Gruppe. Sehr unterhaltsam - wahrscheinlich vor allem für die anderen :roll:Leider gibts keine Fotos, da ich vergessen hatte meinen Akku nach dem Zoobesuch wieder aufzuladen. Naja, passiert.
Am Sonntag war ich dann noch in einer anderen Parroquia zum Patrozinium, St. Franziskus, um mir die Prozession anzuschauen, die sie jedes Jahr mit ihrem Heiligen durch die Straßen machen. Waren jetzt auch nicht soo viele Leute dabei, aber ich hab mir sagen lassen im Vorjahr wären es dreimal so viele gewesen. Warum das so schwankt, konnte aber auch keiner sagen. Vielleicht auch sone Werbungs-sache. Dafür haben mehr Leute als in Deutschland die Lieder mitgesungen, wirklich viele den Rosenkranz mitgebetet und alle haben fleißig VIVA FRANZISKUS! VIVA LA ECCLESIA CATOLICA! VIVA LA VIRGEN! gerufen. Nach der Prozession gab es dann eine Messe, und am Schluss hat der Franziskanerpater (der Abt des Franziskanerklosters von Padua) die Gemeinde dann mit einer Franziskusreliquie überrascht, die dann jeder mal knutschen durfte :)

Die Kirche St. Franziskus ist auf jeden Fall sehr hübsch, und ein typisches Beispiel für argentinische Kirchenbaukunst - zumindest für Katholische. Die Konstruktion ist sehr einfach, die Ausstattung ebenfalls, aber mit farbigen Plastikfenstern und Sonnenlicht kann selbst das wirklich toll aussehen.
Gestern war ich dann noch mit Astrid und ihren Kollegen im "la bomba" einer Art Jugendzentrum, in dem Montags immer eine Drum-kombo auftritt oder wie man das nochmal nennt. Sone Trommelband halt. Sehr cool, super zum rumhopsen. Das ganze ist sehr alternativ, und trotz Rauchverbot wird man sicher allein vom Passivrauchen des ganzen Marihuanadampfes high. Mir hats auf jeden Fall super Spaß gemacht und werde auf jeden Fall sicher noch öfter da hin gehen.
Uebrigens wurde ich beim "Schwarzfahren" erwischt. D.h. die Boleteria in Padua war geschlossen, und der Wachmann hat mich durch die Schleuse gewunken. Dass die Bahn DO=CH NICHT (wie die Subte) zur Feier des Feiertages der am Montag war, kostenlos war, wurde mir erst in BA gesagt als ich aus dem Bahnhof wieder auswollte. Das ganze hat mich 8 Peso gekostet. Verdammt. Hat mir den ganzen Feiertag vermiest. Also dann: Frohes Conquista-Fest. Das ist nämlich diese Woche, und deshalb war der Montag hier auch Feiertag (die Feiertage werden hier immer an ein Wochenende gekettet, egal wann der Feiertag eigentlich ist). Da wird die Entdeckung Amerikas durch Christoph Kolumbus und seiner Eroberung gedacht. Ein echter Feiertag ist das nicht, ich glaube die Mehrheit der Bevölkerung sieht das ganze eher sehr kritisch was damals passiert ist. Ein Bekannter, mit dem ich mich darüber unterhalten habe, sagte mir, dass es in den letzten Jahren sehr umgeschlagen sei, von unkritischer Glorifizierung zu fast fanatischer Verteufelung, zumindest was die Schulen angeht.
Vielleicht dazu mal mehr. Ist ja auch interessant. Oder?

Donnerstag, 9. Oktober 2008

Zoobesuch in Argentinien - Siesta, was sonst!

Hallo Leute!

Ich machs kurz: Ich war mit Astrid im Zoo Buenos Aires, mitten in der Innenstadt gelegen und wohl eher als botanischer Garten mit Tierbestand zu bezeichnen, wenn es einen solchen nicht unmittelbar neben dem Zoo schon gaebe. Das Areal ist auf jeden Fall echt huebsch, mit vielen liebevoll und aufwendig gestalteten Gehegen, stilistisch angelehnt an das Herkunftsland des jeweils beherbergten Tieres. Man kann sich so richtig vorstellen, wie vor 100-150 Jahren ehrwuerdige Maenner im Frack mit ihren Faecher-schwingenden Frauen durch den Park spaziert sind, die Kinder auf den Karussels abgeladen haben und ueber die letzten Neuentdeckungen schwadroniert haben. (Die Karussels stehen uebrigens heute noch. Sind zwar immer noch sehr huebsch, es ist aber zu vermuten dass sie auf Kinder weniger spektakulaer wirken als damals).
Ungeschickterweise waren wir zur Mittagszeit im Zoo. Aber klar - Siestazeit. So waren viele Tiere eher weniger geneigt, uns ihre vielen Kunststuecke vorzufuehren, die sie ganz sicher beherrschen.

Fuer unterhaltung sorgten trotzdem viele freilaufende Tiere, wie Wasserratten, Gaense, Schwaene und diese komischen Pampa-hasen (oder wie die heissen). Sehr niedlich. Auch das begehbare Papageienhaus ist wirklich einen Besuch wert.

Da Kultur in Buenos Aires generell kostenlos oder zumindest sehr guenstig ist, waren die 15 Peso Eintritt auf jeden Fall nicht verschwendet, auch wenn wahrscheinlich bereit gewesen waere, etwas mehr zu bezahlen, um etwas zu artgerechtereren Haltung beizutragen. So ist der Zoo auf zahlreiche Sponsoren angewiesen (wie z.B. das fuer sein Umweltengagement weltweit bekannte Unternehmen "Nestle"), aber das kann auch durchaus unterhaltsam sein, wie das "German Hospital" zeigt.
Naja, der Tag war wirklich nett und konnte mal wieder ueberrascht feststellen, wie viel Wissen und Halb-wissen ueber Zoologie sich ueber die Jahre doch so in meinem Hirn angesammelt hat - auch wenn ich glaube, dass der Grossteil immer noch aus der Zeit stammt, als wir kein Kabelfernsehen hatten und ich nur ARD- und ZDF-Naturdokus geschaut hab. Danke, Oeffentlich-Rechtliche!
Im Gedaechtnis bleiben werden mir sicherlich die riesigen alten Baume im Park, die beeindruckende Schmetterlingssammlung (wirklich, Mutter Natur... wow!) sowie der seltsame Gedanke, was ein Orang Utan wohl so denkt, wenn er da sitzt und die Menschen beobachtet, die da jeden Tag kommen um ihn anzustarren, und welche Seite der Glasscheibe eigentlich "drinnen" und welche "draussen" ist....

Montag, 6. Oktober 2008

Wallfahrt nach Lujan: Die spinnen, die Argentinier

Gut, die Idee ist ja ganz süß. Als vor 34 Jahren die erste Lujan-Wallfahrt stattfand, hatte sie auch einen wirklich ernsten Hintergrund, nämlich soziale Unruhen, Wirtschaftskrise und überhaupt der schlechte Zustand des Landes. Da Lujan so etwas wie ein Nationalheiligtum ist, und Maria hier offenbar dafür zuständig ist, die Probleme des Vaterlandes zu seinen Gunsten zu regeln, ist es natürlich naheliegend sie in ihrem Heiligtum zu besuchen. Warum man dafür die 60km ab Liniers (ein anderes Heiligtum) zu Fuß gehen muss, konnte mir noch keiner erklären. Ich schätze mal, dass hat was mit Tradition zu tun. Oder mit Passionsfrömmigkeit, auf jeden Fall habe ich mich nach 12 Stunden Gewaltmarsch den Leiden Christi wirklich näher gefühlt. Und ich bin nur 40km gelaufen, und auch noch in ordentlichen Schuhen! (auch wenn ich leider sagen muss, dass ich von den super-hyper-lands-end-wandertretern ein bisschen enttäuscht bin, und daran, dass meine Füße sich anfühlen als würde jemand nen Flammenwerfer drunterhalten, konnten auch meine mega-krassen-Wandersocken leider nichts ändern). Naja. Beeindruckend war auf jeden Fall die Zahl der (nicht nur) Jugendlichen, die diese Tortur jedes Jahr auf sich nehmen. Marta und Silvia sagen, dass über das ganze Wochenende knapp 1,5 Millionen Menschen Lujan besuchen. Ich weiß nicht, wie viele ich davon gesehen habe. Nachts sind alle Argentinier grau. Mir sind allerdings einige Weltjugendtagsrucksäcke aufgefallen, mit deren Trägern ich dann einige Zeit gequatscht habe, und ihnen eine von diesen Papstmünzen geschenkt habe, von denen ich immer noch welche übrig habe *g* Meine Gruppe hatte ich natürlich immer schnell verloren, und nur kurz zu den Sammelpunkten wiedergesehen - und so war ich über jede Ablenkung froh, denn ansonsten kann man den Weg nach Lujan nur als eintönig bezeichnen: 40 km schnurgeradeaus, an der Bahntrasse entlang, die einzige Abwechslung sind wechselnde Grill-Getränke-Devotionalienstände am Wegesrand. Dann war es auch noch empfindlich kalt, da es ja noch Frühling ist, was einige Argentinier zu den erstaunlichsten Maßnahmen getrieben hat. Generell war aber die Leidensbereitschaft wirklich beeindruckend: Auf den letzten Kilometern haben sich viele Leute mehr geschleppt als sie gewandert sind, und die Straßen waren gesäumt von Pilgern, die nicht mehr konnten und einfach am Straßenrand lagen oder apathisch oder schlafend auf den Leitplanken hockend , manchmal notdürftig mit Decken zugedeckt, oft mit Kindern dabei. In der stoisch vorbeihumpelnden Masse kam ich mir oft eher vor wie in einem Flüchtlingstreck aus Ostpreußen als auf einer Pilgerfahrt. Gut, dass es viele Stationen des "cruce rojo argentina" am Wegesrand gab, und auch viele Gemeinden haben (sponsored by wal-mart) Pilgerstationen errichtet. Schönstattpriester segneten vorbeiziehende Pilger mit Weihwasser aus Plasikbechern, und auch sonst gab es viel Volksfrömmigkeit zum Anfassen:
Zum Beispiel große und kleine Marienstatuen am Wegesrand. Auch in der Basilika, in der ich dann pünktlich zum Schlusslied der Festmesse mit dem Kardinal von BA dann ankam (war wohl einfach zu langsam..), waren die Weihwasserbecken zugeschüttet mit Geschenken an Maria, und auch dieser Engel-Leuchter war über und über behängt mit Fürbitt-zetteln, Rosenkränzen und 5-Peso-Scheinen, so dass ab und zu Leute mit großen Pappkisten herumgingen und alles einsammelten... was wohl damit passiert? Noch mehr Müll? Die Pilger haben auf jeden Fall typisch-argentinisch eine breite Müllschneise hinterlassen, vor allem bestehend aus abertausenden Wal-Mart-Plastikbechern. Auch die Basilika wird wohl nach diesem Wochenende eine Generalreinigung nötig haben, denn auch sie wirkte eher wie ein Flüchtlingslager wie eine Basilika, und die Leute lagen kreuz und quer schlafend im Kirchenschiff herum, so dass die Pilger, die auf Knien durch die Kirche rutschten, fast gar nicht mehr durchkamen. Ich glaube das ist hier auch so ein Brauch, allerdings habe ich tatsächlich ernsthaft überlegt ihn zu adaptieren, weil meine Füße bei der Ankunft in der Basilika einfach höllisch wehtaten, und Knien dagegen wirklich die reinste Wohltat war. So macht Demut Freude. Demut war aber unterm Strich sicher nicht dass Ziel vieler Jugendlicher, die mitgelaufen sind. Mir schien das Ganze eher eine Art Vatertagswandern zu sein (viele Gruppen hatten auch tatsächlich Wagen mit lauter Musik und Verpflegung dabei), und regelmäßig wehten Wolken aus Marihuana-Rauch (sie wechselten sich mit dem Rauch der Grillfeuer ab) wie säkularer Weihrauch über den Weg. Trotzdem war in vielen Gesichtern auch eine tiefe Ernsthaftigkeit zu entdecken, und wirklich beeindruckend war auch die Zahl der älteren Leute, die diese Tortur noch auf sich nehmen. Denn Spaß, nein, so kann man das nicht nennen. Es ist eine Herausforderung, die wie jede gemeisterte Herausforderung ein schönes Erlebnis sein kann, und wenn der ein oder andere auf dem Weg auch noch ein bisschen ans Nachdenken kommt - umso besser. Am 8. Dezember ist wohl nochmal eine Wallfahrt, ich denke ich bin nochmal dabei.

Freitag, 3. Oktober 2008

Shoppen in Argentinien - dem immer-happy-hour-Land

Hi Leute, willkommen zum Wochenrückblick!
Ich war wie immer arbeiten und habe mir heute freigenommen um ein bisschen Spanisch im Buch zu lernen, einen Geburtstagsbrief für meine liebe Mama zu schreiben - und euch natürlich auf dem Laufenden zu halten. Die Arbeit in der casita plätschert so dahin. Dienstags und Donnerstags gehe ich mit den Jungs laufen (was ich auch bitter nötig habe), und ich werde bald einige der von ihnen hier vorstellen: mit ihrer Geschichte, ihren Problemen, ihren Träumen.
Mein dringendstes Problem habe ich diese Woche auch behoben: Neue Hosen. Habe zwar nur eine gekauft, dafür aber drei neue Shirts (Lacoste, Converse, Levis) und eine von diesen old-school Adidas-Jacken in rot (damit habe ich jetzt übrigens drei rote Jacken hier o_0). Inklusive 6 Paar Socken habe ich dafür 150 Pesos ausgegeben, das sind etwa 35 Euro. Wir waren aber auch nur in den billigsten Orten einkaufen, nämlich sogenannten "Ferias", das sind große Hallen oder Freiluft-Märkte, in denen unzählige kleine Stände alles anbieten, was Argentinier gerne hätten. Vor allem jede Menge Sportartikel, aber im Grunde fast alles, was man billig nachproduzieren kann. In zwei Monaten sag ich dann mal was über die Qualität. Aber ich mein: Selbst wenn die Sachen nur ein halbes Jahr halten würden: Für 35 Euros viele schicke Sachen zu kaufen macht auf jeden Fall Spaß: Und das ist ja auch schon was wert :)Was hier außerdem auch Spaß macht ist: Bier trinken. Die kalte 1-Liter Quilmes Flasche (Standard-Größe hier) kostet 3,50 Pesos -> Weniger als 1 Euro. Und es schmeckt auch noch recht gut. Ich werde wohl nie wieder ohne Wehmut in einem deutschen Biergarten dasselbe in Euro für nen 0,3er hinlegen können. Toll in Argentinien ist auch, dass eigentlich immer Biergarten-Wetter ist. Da es kaum regnet, kann man sich hervorragend im Freien aufhalten - um Bier zu trinken, zum Beispiel. (Ich habe allerdings auch schon junge Argentinier beim Sex unter Autobahnbrücken gesehen, was aber wohl eher durch oftmals sehr beengte Wohnsituationen bedingt ist). Gestern war ich mit ein paar Jungs aus der Casita "einen heben" (was bei der Flaschengröße auch eine angemessene Ausdrucksweise ist). Da es in den Barrios offenbar keine Kneipen oder ähnliches gibt (ich habe auf jeden Fall auch noch nie etwas in die Richtung gesehen. Wahrscheinlich ein Sicherheitsproblem), funktioniert das hier so, dass man sich einfach vor einen der dafür zahlreich vorhandenen "Maxikioscos" stellt, und sich durch das kleine Türchen in der vergitterten Scheibe die gewünschten Genussmittel anreichen lässt, die man dann im Stehen oder auf irgendeiner sich anbietenden Sitzgelegenheit verzehrt (wenn man keinen Pfand bezahlen und die Flaschen mitnehmen will). A propos mitnehmen: Morgen ist eine große Wallfahrt nach Lujan (genau, der große Marienwallfahrtsort wo ich am ersten Wochenende schon war), bei der vor allem Jugendliche mitgehen, was auch kein Wunder ist angesichts der Tatsache, dass die Wallfahrt ZU FUSS, NACHTS, und Lujan etwa 42KM WEIT WEG IST. Naja, wenn wirklich zehntausende Jugendliche von BA (was noch einiges weiter ist) da hin laufen, kanns ja so schlecht nicht sein. Ist wohl auch für viele eher eine Wander-party, wie man den kopfschüttelnden Kommentaren von Marta und Silvia entnehmen kann. Die Jugendlichen vom Retido (ups, habe ja immernoch nichts davon erzählt! also gut, die Kurzfassung unten!) sind wohl auch dabei. Insofern: Ich freu mich *fg*

Retido Spiritual im Franziskanerkloster

Motto: "Ich bin der Weg, die Wahrheit, und das Leben". Hört sich unspannend an, war aber das Gegenteil: Super Programm, super Leute, super lustig und mit Tiefgang. Viele Methoden kannte ich mehr oder weniger aus der TrO-Ausbildung, mit Firmlingen kann man aber natürlich ganz anders an die Sachen rangehen. Zur Einführung gabs ein Theater, bei dem ich - obwohl ich zugegeben fast nichts verstanden habe - fast Tränen gelacht habe, so schräg und spontan kam alles rüber - und war es wohl auch. Danach wurde ein Plakat mit den Fußabdrücken aller Teilnehmer gestaltet, es gab Katechesen, Spiele, einen wunderbaren Film mit anschließender Besprechung (auf englisch: The Bucket-List, mit Morgan Freeman und Jack Nickelson - ABSOLUT GUT!), viel Musik und einem bunten Abend bis 1 Uhr Nachts! Da ich ja die Nacht vorher nicht geschlafen hatte (war ja in BA, Gangster treffen, s.u.), eine echte Herausforderung. Am Sonntag gings dann weiter bis zur Messe am Abend, und ich bin wirklich bereichert nach Haus gefahren. Der emotionale Höhepunkte am Sonntag war eine Meditationsstunde, in der für jeden Jugendlichen in einer Kiste mit der Aufschrift "Das größte Geschenk, das ich dir machen kann" einen Brief von der Familie der Jugendlichen (die Kiste war am Vortag schon genutzt worden, und enthielt da aber noch als größtes Geschenk einen Spiegel. ...aber Superlative im Spanischen sind eh etwas seltsam). Ich finde die Idee wirklich hervorragend, und viele Jugendliche waren auch tief bewegt. Gleichzeitig trifft diese Maßnahme auch den Kern eines anderen Problems, dass unser Papst glaube ich die "Krise der Familie" nennt. Auch in Argentinien ist dieses Problem sehr aktuell, und ich merke mir die Einordnung dieser exemplarischen Aktion in den größeren gesellschaftlichen Kontext mal für einen anderen "Exkurs" (und erspare ihn euch jetzt ;)). Ansonsten ist das Franziskanerminoritenkloster in Padua auch ein wirklich schöner Ort, zwar nicht so ehrwürdig wie viele Klöster bei uns, aber immerhin als Zentrum der großen Gemeinde und mit einer recht jungen "Besatzung" ein sehr lebendiger Ort. Das Retido vorbereitet haben die Katecheten (die hier auch alle in den 20ern sind) mit den Freires des Klosters vorbereitet, so dass ein großes und wirklich erstklassiges Team sich um die ca. 25 Teilnehmer kümmern konnte. Mir war nicht klar, dass auch zwei der Freires auch die ganze Zeit mit den Jugendlichen zusammen waren, da sie in "Zivil" waren, und andere junge Freires ihre Einheiten in Gewandung gehalten hatten. Ich war zugegeben überrascht, als sie dann in Gewandung vor mit standen. Aber so eine Gewandung wäre auch recht hinderlich beim Theaterspielen, insofern nachvollziehbar ^^ Die Firmung ist im November, am Wochenende nach meinem Geburtstag. Mal schauen, was sich die "Brüder" dann dafür ausgedacht haben....