Meine restliche Woche bei Sergio war wirklich super, wir verstehen uns super und ich denke ich konnte auch einiges von ihm lernen. Das Leben eines Priesters hier scheint ein bisschen entspannter zu sein als bei uns, auch wenn Sergio genau wie bei uns 5 Gemeinden zu betreuen hat.
Etwas mehr, fuer den, dens interessiert: Allerdings kann er weitgehend selbst entscheiden, was "betreuen" denn nun genau bedeutet, und die Erwartungen an einen Priester scheinen mir auch viel weniger festgefahren zu sein und es gibt auch keine traditionellen Strukturen so wie bei uns, so dass ein Priester oft einfach (nur) das tut, was er am besten kann. Alles, was die Menschen darüber hinaus "wollen", müssen sie selbst machen, und wird vom Priester bestenfalls wohlwollend unterstützt. Ist insoweit ne ganz gute Strategie, dass sie sicherlich ner Menge Frustration auf beiden Seiten vorbeugt, und andererseits die Menschen in der Gemeinde stark in die Verantwortung nimmt. Andererseits kann es so natürlich durchaus sein, dass ein Priester eine Gemeinde oder einen Teil davon einfach "brachliegen" lässt, weil er keine Lust oder Energie hat, sich dort zu engagieren. Fazit: Deutsche Gemeinden mit ihrer "institutionalisierter Kommunikation" in Gremien, Ausschüssen, Pfarrbüros sind sehr gut darin, Probleme zu finden - weniger darin, sie auch zu lösen. Argentinische Gemeinden, wo die Kommunikation mit dem Pfarrer zu großen Teilen nach der Messe vor der Kirche erledigt wird oder man einfach zu Besuch vorbeikommt, ignorieren die meisten ihrer Probleme und konzentrieren sich mit Energie und Zuversicht auf die, welche sie auch lösen können. Hat irgendwie alles seine Vor- und Nachteile.
Ansonsten habe ich es zugegeben genossen mal wieder unbegrenzt Internet - wenn auch recht langsames - zu haben 8)
Und mit den Jungs American Football zu spielen, das war auch wirklich cool =)
Am Freitag habe ich mich dann vorzeitig verabschiedet, um bei der Zeugnisverleihung von Franko dabei zu sein, der jetzt die Escuela Primera (bis 9. Klasse, die zählen hier aber ganz seltsam) beendet hat und jetzt auf ein Colegio/Escuela Secundaria wechselt (bis zur 12.). Das ganze war irgendwie eine recht putzige Veranstaltung.. ich weiß nicht. Wichtig war sie für die ganze Familie, weil Franko die Ehre hatte die Provinzfahne mitzutragen. Jahaa.
Mehr: Der Fahnenapell war auf jeden Fall auch mein ganz persönlicher Höhepunkt des Nachmittags, was ihr verstehen werdet wenn ihr euch das Video anschaut (Franco seht ihr ganz rechts). Das seltsame Gequietsche das ihr dort hören könnt ist der ORIGINALTON der Nationalhymne, die sie dort gespielt haben. Ich bin vor lachen fast zusammengebrochen... was ich mir natürlich verkneifen musste, da ich als Ausländer ja doch Respekt haben sollte vor den Symbolen einer identitätslosen Nation. Gut. Das ganze lief ein bisschen weniger formelhaft ab als bei uns, die Reden waren weniger ernsthaft, und teilweise wurde einfach eine dieser vor Lebensweisheit triefenden Geschichten oder Texte vorgelesen, die wir in Deutschland in Kettenemails zu verschicken pflegen. Interessant war, dass hier Medaillen verliehen wurden für alles mögliche. Außer den Standarddisziplinen wie "Bester Durchschnitt" gab es tatsächlich auch Auszeichnungen für die besten Kameraden zum Beispiel. Oder den Einsatz für das Vaterland. Wer die erhalten sollte, wurde tatsächlich von den Schülern demokratisch bestimmt. Ich vermute allerdings, dass wie bei allen demokratischen Akten auch hier die Ergebnisse noch irgendwo "gegengelesen" wurden.
Gut.
Verdammt, es wird schon wieder so viel. Dabei kommt das Beste erst noch. Freitag war dann nämlich noch die "Abiparty" von Guadalupe, einer der Katechetinnen von San Antonio de Padua (ja, genau die, die da auf Lucio Party macht). Da konnte man mal wieder sehen, dass die Argentinier durchaus zu feiern verstehen - auch wenn sie irgendwie sehr wenig Alkohol trinken. Dafür tanzen sie aber die ganze Nacht mehr oder weniger ununterbrochen. Und wenn sie nicht tanzen, knutschen sie oder sind auf der Suche nach jemandem mit dem sie eben dieses tun können. Mehr: Also das war schon ein bissl extrem.. das scheint hier fast wie ne Sucht zu sein. Wer nicht knutscht, ist höchstwahrscheinlich hässlich, dämlich oder schwul sein. Ich konnte mich aber beim besten Willen nicht überwinden - auch wenn die Argentinierinnen wirklich wirklich teilweise ganz ausgezeichnet aussehen! - aber leider das Niveau der ganzen Schose sich schon nach einer halben Stunde frustriert unter den Holzfussboden verkrochen hatte. Das funktioniert hier wohl üblicherweise noch mehr oder weniger so im Kindergarten, dass man irgendwie abcheckt wer wen süß findet, und dann ein Freund oder eine Cousine oder wer auch immer dann herüberschlawenzelt und die Gegenseite aufklärt. Zwei Varianten: 1. Deine Freunde belügen einfach beide Seiten ("Der/Die findet dich total süß und will dir gerne die Zunge in den Hals stecken" - sehr beliebt, weil hoher Spaßfaktor für alle anderen) oder man bettelt ("Och bitte, nur ein Kuss! Ist doch nichts dabei, passiert doch auch garnichts! Bittee! Gefällt dir meine Cousine nicht?" - nein, sie gefiel mir auch nicht, aber das war in dem Moment echt nicht der Punkt! Ich mein, die war ACHTZEHN! So ein KINDERGARTEN! Ich mein, wer BIN ICH denn?! o_0). Naja. Dass ebenjene Cousine dann am Ende mit einem 14-jährigen rumgeknutscht hat, der vor zwei Wochen in Padua gefirmt wurde, war dann nur das Sahnehäubschen ^^Das ganze kam mir auf jeden Fall viel extremer vor als in Deutschland üblich. Fast wie eine gesellschaftliche Sucht oder ein Wettbewerb. Und die, die nicht teilhaben können, sind auch extrem geknickt. Lucio zum Beispiel, der mit seinen 2m einfach ungewöhnlichst riesig ist für Argentinien.. der hats halt schwerer - und nimmts leider auch schwer. Jetzt weiß ich natürlich nicht.. ist das in Deutschland vielleicht doch so, und ich habs nur nie mitgekriegt?
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