Als ich am Mittwoch etwas zu lange in der Casita geblieben war und etwas spät dran war (d.h. ein paar min zu spät) war mir das sehr unangenehm (man glaubt es kaum), aber als ich dann in der Gemeinde eintraf durfte ich feststellen, dass von der Gruppe gerade mal die Hälfte eingetrudelt werden, und der Rest sich gemütlich auf der Wiese unter einem Baum unterhielt. Ich habe die Zeit dann genutzt um ein paar Fotos von der Gemeinde zu schießen. Zum Beispiel von Samuel, dem Gemeindehund, der auch jeden Sonntag in der Kirche brav der heiligen Messe beiwohnt. Diese scheinbar sinnlose und verschwendete Zeit des Wartens auf andere scheint in Argentinien allerdings eine wichtige soziale Funktion zu haben. So wird hier typischerweise der Mate bereitet und Neuigkeiten ausgetauscht. Dafür scheint hier auch jeder Zeit zu haben. Ich glaube ich habe hier noch nie jemanden sagen hören "Ich habe keine Zeit" - außer mir selbst. Wenn dann doch mal jemand früher weg muss geht er einfach, und das stört auch niemanden denn man hat ja Zeit: Zweimal die Woche, ca. 8 Monate mit einigen Intensiv-Wochenenden, wie auch nächstes Wochenende eines ist, an dem ich auch teilnehmen werde. Bin mal sehr gespannt :)
Dass die Firmvorbereitung hier so lange dauert, hat natürlich auch andere Vorteile. So konnte Marcello die letzte Stunde einfach mal schleifen, um den 16. Geburtstag von zwei Mädels aus der Gruppe zu feiern. Natürlich hat er so getan als wäre nichts, und ganz normal die Gruppe mit einer Einführung ins Thema begonnen. Als er dann darauf aufmerksam gemacht wurde, dass es zwei Geburtstagskinder gibt, hat er ganz überrascht getan, und dann heimlich aus dem Nebenraum einen Kuchen und Cola geholt. Ich bin mir allerdings nicht sicher, ob es das alles schon so geplant hatte, oder ob er einfach IMMMER (für alle Fälle) einen Kuchen im Kühlschrank hat. Die Becher mussten auf jeden Fall erst gespült werden. Keine Ahnung ..solche Menschen solls ja geben *hust*
Ich glaube ich habe schonmal erzählt, wie ähnlich sich die Gruppe hier und meine alte Gruppe sind (liest hier vielleicht sogar einer meiner alten Firmlinge? ^^). Marcello, der jurastudierende Gruppenleiter, ist mir auch vom Typ her sehr ähnlich (ja richtig, der Hochmut, Stefan ;)). Das heißt aber vor allem erstmal, dass er sehr viel redet und weit ausholt um etwas zu erklären, meinem Eindruck nach unterm Strich aber auch was ankommt, weil er auch wirklich hinter dem steht was er sagt. Die Jugendlichen sind hier sind auch von der Mentalität her sehr ähnlich wie bei uns, aber viele mordende - oh, Tippfehler - ich meinte moderne Vorurteile gegenüber der Religion an sich noch nicht so tief in die Gesellschaft eingedrungen zu sein, und die Botschaft des Evangeliums kann so noch deutlich unbefangener gedacht werden (manche werden jetzt vielleicht im Kopf automatisch "unbefangen" durch "unreflektiert" ersetzt haben, aber ich denke diese Formulierung würde nicht zutreffen). Sicherlich damit zusammen hängt die Tendenz/Bereitschaft zum radikalen/konsequenten Nach-Denken. Am Freitag haben wir z.B. über Antikonzeptiva gesprochen. Nicht weil es auf dem Lehrplan stand, sondern weil eine Stunde zur freien Themenwahl zur Verfügung stand. Ein sehr spannendes Thema, aber auch ein sehr heikles Thema in einem Land, in dem Teenagerschwangerschaften ein echtes "Problem" sind - weil ungemein häufig. Ich denke, man kann den "katholischen" Standpunkt trotzdem vertreten, und ich hatte den Eindruck, dass die.. ..Vision, der Entwurf, von Sexualität insgesamt - nämlich mit dem Sex auf den richtigen zu warten - bei den Jugendlichen auf sehr offene Ohren und Herzen traf. Sie waren nach unseren Ausführungen auf jeden Fall sehr still und nachdenklich. Einige werden jetzt vielleicht stutzen und erstaunt nachfragen: "UNSEREN Ausführungen?" Naja, nicht ganz. Ich kann zwar inzwischen dem Gespräch mehr oder weniger folgen, allerdings verstehe ich die Jugendlichen relativ schlecht, Marcello dafür aber gut, und habe mich deshalb die letzten Male darauf beschränkt, am Ende des Themas meinen zuvor wohl zurechtgelegten "Senf" dazuzugeben. Das ist natürlich auch eine völlig neue Erfahrung für mich: Nur zuzuhören und nicht mitzureden, während andere über ihren Glauben sprechen. Einige werden wissen, wie ungewöhnlich das für mich ist. Ich bin über diese "erzwungene" Passivität aber eigentlich sehr froh, und es ist auch sehr interessant zu sehen, wie aufmerksam mir die Jugendlichen zuhören, wenn ich mein Schweigen breche und meine wenigen Sätze zum Thema beitrage, in denen ich versuche die sachlichen, ausführlichen Ausführungen von Marcello ein bisschen praktisch-existentiell abzurunden. Wir sind ein gutes Team :)
Allerdings ist verständlicherweise die Ausstattung sonst sehr schlecht. Die Gemeinde besitzt nur 5 Bibeln, nur einige sehr karge und schlecht beheizte Räume, und hat auch keinen Kopierer um Materialien vervielfältigen zu können. Der Katechet erhält nur ein Buch, das mir aber sehr gut gefällt, und in dem die Themen sehr gut aufgearbeitet sind - allerdings verzichtet man hier weitgehend auf religionspädagogischen 'Schnickschnack' (wenn ich mich mal so ausdrücken darf). Ein bisschen mehr davon könnte es schon geben, vielleicht kann ich das ein oder andere beisteuern, es lebe die TrO-Ausbildung =)
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